Aktuelle Ausgabe
Die Beiträge der neuesten Ausgabe Heft 3, 2022 der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie können Sie direkt online über den SpringerLink lesen.
Abhandlungen
Karriere mit Kind – Wie wirkt sich frühe Mutterschaft auf das Erreichen von Führungspositionen bei Akademikerinnen aus?
Gesche Brandt · Heike Spangenberg
KZfSS 74, 2022: 303-327
Zusammenfassung: Dieser Beitrag widmet sich im Anschluss an die Diskussion zur Entzerrung der „Rushhour des Lebens“ der Frage, ob es vorteilhaft für die berufliche Karriere von Akademikerinnen ist, wenn sie, anstatt nach dem Berufseinstieg, bereits vor dem Studienabschluss oder direkt im Anschluss daran Kinder bekommen. Während ein Aufschieben der Erstgeburt verschiedenen Studien zufolge durchaus positiv für den Karriereverlauf ist, ist der Zusammenhang zwischen einer frühen Familiengründung und dem Erreichen einer Führungsposition für Deutschland bislang kaum erforscht. Anhand von Absolventendaten des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) wird mit logistischen Regressionsanalysen untersucht, wie wahrscheinlich das Erreichen einer Führungsposition für Mütter mit akademischem Abschluss in Abhängigkeit vom Geburtentiming ist. Die Befunde zeigen, dass Mütter, die bereits vor dem Berufseinstieg Kinder bekommen haben, zehn Jahre nach Studienabschluss mit höherer Wahrscheinlichkeit in Führungspositionen tätig sind als die Vergleichsgruppe der Mütter, die erst während des Erwerbsverlaufs eine Familie gegründet haben. Erstere weisen im Erwerbsverlauf weniger Vollzeitphasen, aber mehr Teilzeitphasen und weniger Unterbrechungsphasen auf. Die Ergebnisse stützen humankapital- und signaltheoretische Annahmen, wonach Akademikerinnen auf dem Arbeitsmarkt von einer Familiengründung vor dem Berufseinstieg profitieren, da längere Erwerbsunterbrechungen unwahrscheinlicher werden.
Schlüsselwörter: Mütter · Studium · Geburtentiming · Humankapitaltheorie · Signaltheorie
Kind – und dann? Wandel partnerschaftlicher Erwerbsverläufe drei Jahre nach dem Übergang in die Elternschaft
Nadiya Kelle · Laura Romeu Gordo · Julia Simonson
KZfSS 74, 2022: 329-351
Zusammenfassung: Der Übergang in die Elternschaft markiert für viele Elternpaare den Übergang in geschlechterspezifische Erwerbsarrangements, oft unabhängig von der gelebten vorgeburtlichen Arbeitsteilung. Dabei können die Entscheidungen über die Erwerbsarrangements nach der Geburt des ersten Kindes richtungsgebend für die zukünftigen Erwerbsverläufe und Alterssicherung sein. Vor diesem Hintergrund fokussiert der Beitrag auf zwei Fragen: erstens, ob sich gerade für jüngere Elternpaare der in den 1980er-Jahren Geborenen eine Konvergenz in den Erwerbsverläufen nach dem Übergang in die Elternschaft im Vergleich zu den in den 1970er-Jahren geborenen Elternpaaren zeigt und zweitens, ob die Arbeitsteilung vor dem Übergang in die Elternschaft eine zunehmende Rolle für die Erwerbskonstellationen danach spielt. Unter Verwendung der Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) werden anhand sequenz-, cluster- und regressionsanalytischer Verfahren Erwerbsverläufe von 900 Paaren über 36 Monate nach dem Übergang in die Elternschaft analysiert. Für die Kohorte der in den 1980er-Jahren Geborenen setzt sich die Bedeutungsabnahme traditioneller Erwerbsarrangements fort. Zudem gibt es immer mehr Elternpaare, in denen beide Elternteile relativ schnell nach der Geburt eines Kindes in die Erwerbstätigkeit zurückkehren. Kaum zu beobachten ist, dass Väter ihre Erwerbstätigkeit zunehmend zugunsten einer stärkeren Einbindung in Haushalts- oder Familientätigkeiten einschränken. Hingegen scheinen die Konvergenzen in den Erwerbsverläufen zwischen Müttern und Vätern vielmehr ein Resultat zunehmender Erwerbsdiskontinuitäten zu sein. Darüber hinaus hat die vorgeburtliche Arbeitsteilung auch für die jüngeren Elternpaare einen eher geringen Einfluss auf ihre nachgeburtlichen Erwerbskonstellationen. Die Ergebnisse legen nahe, dass der Abbau von geschlechterspezifischen Ungleichheiten am Arbeitsmarkt verstärkt voranzutreiben ist, damit weitere Anreize für die gleichmäßigere Erwerbsaufteilung im Paarkontext entstehen können.
Schlüsselwörter: Geburt des ersten Kindes · Elternpaare · Erwerbsarrangements · Kohortenvergleich · Sequenzmusteranalyse
Von den „frustrierten akademischen Plebejern“ zum gesellschaftlichen „Patriziat“
Markus Klein
KZfSS 74, 2022: 353-380
Zusammenfassung: Der Beitrag untersucht die Entwicklung der Wählerschaft von Bündnis90/Die Grünen seit der Gründung der Partei. Die Datengrundlage bilden die kumulierten ALLBUS-Erhebungen der Jahre 1980–2018. Über den Untersuchungszeitraum hinweg zeigt sich für Westdeutschland ein steigender Trend in der Unterstützung von Bündnis90/Die Grünen. Mittels einer hierarchischen Alter-Perioden-Kohorten-Analyse mit fixen Kohorteneffekten (HAPK-FC) wird gezeigt, dass die Unterstützung für Bündnis90/Die Grünen in der Generationenfolge zunimmt. Lebenszykluseffekte existieren hingegen nicht. Darüber hinaus lässt sich ein positiver Effekt der Zugehörigkeit zur sozialen und kulturellen Dienstklasse auf die Wahl der Grünen nachweisen. In abgeschwächter Form zeigen sich diese Befunde auch in Ostdeutschland.
Schlüsselwörter: APK-Analyse · Alterseffekte · Generationseffekte · Periodeneffekte · Wahlverhalten
Berichte und Diskussionen
Is the Effect of Environmental Attitudes on Behavior Driven Solely by Unobserved Heterogeneity?
Henrik Kenneth Andersen · Jochen Mayerl
KZfSS 74, 2022: 381-408
Abstract: A large body of research exists investigating the link between environmental attitudes and behavior. Many empirical studies have found modest positive effects, suggesting that attitudes toward the environment might indeed influence environmental behavior. However, most of the previous empirical work is cross-sectional and correlational in nature. This means that the issue of the causal effect of environmental attitudes on behavior is far from settled, and that the relationships observed in the past may be due to unobserved confounders. In a panel study using six waves of the GESIS Panel Survey, we examine the individual-level effect of changes in one’s attitudes on changes in different forms of environmental behavior. We use fixed effects panel regression within the structural equation modeling framework to control for unobserved time-invariant confounders, while also tackling other methodological challenges. We find that environmental attitudes have no effect on behavior after controlling for unobserved confounders. However, there is a robust effect of attitudes on willingness to sacrifice. This suggests that creating more positive attitudes might make individuals more willing to accept sacrifices for environmental protection.
Keywords: Attitudes and behavior · Willingness to pay/sacrifice · Panel analysis · Fixed effects · Structural equation modeling
Literaturbesprechungen
Soziologie im Anthropozän
- Pries, Ludger: Verstehende Kooperation. Herausforderungen für Soziologie und Evolutionsforschung im Anthropozän. (Sebastian Schnettler)
Soziologie und Digitalisierung
- Piallat, Chris (Hrsg.): Der Wert der Digitalisierung. Gemeinwohl in der digitalen Welt. (Isabel Kusche)
Digitalisierung und Arbeit
- Buss, Klaus, Martin Kuhlmann, Marliese Weißmann, Harald Wolf und Birgit Apitzsch: Digitalisierung und Arbeit. Triebkräfte – Arbeitsfolgen – Regulierung. (Alexander Ziegler)
Soziologie in Deutschland
- Moebius, Stephan: Sociology in Germany. A History. (Vincent Gengnagel)